Hallo, für mein Forschungsprojekt suche ich Leute die Gesten spenden - einfach vor dem Rechner ein paar Handgesten machen. Dauert nur 10 Minuten. Wäre toll wenn Sie mitmachen!
Jedes Jahr mitten in der Winterdepression habe ich das Problem mit der Reiseplanung. Habe ich im Sommer Zeit, Urlaub zu machen? Wie viel darf der Spaß kosten? Wo soll es hingehen? Mit dem Fahrrad über die Alpen ist zwar schön, wird auf die Dauer aber langweilig, weil nur wenige Alpenpässe nicht mit meinen stinkenden vierrädrigen Freunden zugestopft sind. Nach Mallorca & Co. ist will ich auf keinen Fall und immer in Deutschland bleiben ist mir zu öde. Ich will ja was erleben! Nur wohin? Indien hört sich gut an. Aber ich will nicht einer der tausenden Rucksacktourist werden, die immer die gleichen billigen Hotels und gleichen wichtigen Sehenswürdigkeiten abklappern, die in den Reiseführern aufgelistet sind. Es muss etwas Außergewöhnliches sein, was Spaß macht und neue Erfahrungen bietet.
Durch Zufall fiel mir eine Anzeige des IJGDs (Internationaler Jugend Gemeinschaftsdienst) in die Hände. Workcamps in aller Welt werden dort angepriesen. Land und Leute kennen lernen und gleichzeitig noch helfen hört sich gut an. Doch ist das wirklich so? Keine Ahnung. Ich melde mich einfach an und wenn es mir nicht gefällt, kann ich ja abhauen und nach Goa zum Strand fahren. Nun Lourens vom IJGD teilt mir erst einmal mit, dass ich, wenn ich zum Workcamp will, an einem Vorbereitungstreffen teilnehmen muss. An zwei verlängerten Wochenenden lerne ich die anderen Workcampteilnehmer kennen, diskutiere ein wenig über 3. Welt und lerne einiges über Indien.
Na ist doch gut, dass ich die Vorbereitung hatte, so weiß ich, was mich erwartet. Anfang August ist es so weit. Ich sitze im engen Airbus nach Madras (heute Chennai), einer 5 Millionen Stadt an der Ostküste Indiens. Nach 7 Stunden kann ich die fliegende Kiste endlich verlassen. Unausgeschlafen stehe ich nun mitten in der heißen Nacht hier im Airport und treffe noch 4 andere Teilnehmer, die auch schon einige Tage vor dem Workcamp anreisen, um sich ein wenig in Madras umzusehen. Vom Flughafen geht in einer rasanten Taxifahrt zusammen mit insgesamt 7 Leuten (ja so viele Leute passen in Indien in ein Taxi) in die Stadt. Ist ein wenig eng, doch dafür ist der Fun-Faktor enorm. Vom Lonely Planet lasse ich mich in dieser Nacht in ein typisches Globetrotter-Hotel entführen. Der Taxifahrer weckt das Hotelpersonal und nach knapp einer Stunde Preisverhandlung und auspacken sinke ich total ermüdet in das Bett meines 5-DM-Appartments. Am nächsten Morgen breche ich nach einem leckeren indischen Frühstück zu einem Stadtbummel auf. Überall hupende Rikschas, Busse, Kühe und Dreck auf der Straße. Aber nach einer kurzen Zeit fühle ich mich pudelwohl, frischer Zuckerrohrsaft, leckere Mangos und all so ein Zeug, lassen die Hitze schnell vergessen. Die Museen hier in Madras sind toll. Die Modern Art Gallery mit phantastischen Werken indischer Künstler, das Children's Museum mit zwei Modelleisenbahnanlagen aus zwei deutschen Staaten von anno 79 und die historischen Ausstellungen sind einfach sehenswert.
Doch ich will ja in ein Workcamp in einem kleinen Dorf 150 km südlich von Madras. Also trotte ich ein paar Tage nach meiner Ankunft zum Busbahnhof und warte. Nein nicht 40 Minuten, die ich oft auf den 265er Bus warten muss, sondern nur 20 Minuten muss ich warten, bis der nächste Bus fährt. Ein 15-Minutentakt für Überlandbusse ist bequem. (20 Minuten warten bei 15 Minuten Takt: na ich steige doch nicht in einen vollen Bus ein, sondern nehme den nächsten, dann habe ich einen Sitzplatz!) Dafür ist der Bus etwas voller. Mit vielen Unterhaltungen sind die vier Stunden Fahrt schnell vergangen und ich stehe in der indischen Kleinstadt Gingee. Im Laufe der Zeit treffen alle Workcampteilnehmer ein und berichten von ihren ersten Indienerfahrungen. Jeder hat sich hier und dort mal richtig übers Ohr hauen lassen, doch mehr als eine Kinokarte in Deutschland hat's keinen gekostet. Als alle versammelt sind, geht es mit einem Kleinbus, den die indische Partnerorganisation SANE gechartert hat, ins 5 km entfernte Workcamp-Dorf. Dort werden wir sofort von der Kinderschar begrüßt. Die lange Willkommensfeier ermüdet zwar, aber wir sind ja neugierig, was es hier alles geben wird. Nach mehreren Stunden können wir uns endlich in die Schulhäuser zurückziehen, die für vier Wochen unsere Unterkunft bilden werden. Die vier Männer sind in einem Teil des Essenraums untergebracht, während die 11 Frauen ein ganzes Gebäude für sich haben.
Einen Tag später beginnen wir mit den Vorbereitungen für unsere Arbeit an. Es gibt eine große Feier. Diesmal wird der Grundstein für das Schulgebäude gelegt, an der wir mitbauen wollen. Das ganze war eine bunte Mischung auch christlichem und hinduistischen Brauchtum.
Nach einem weiteren Tag fangen wir mit der Arbeit an. Der Plan sieht vor, dass wir morgens so rund vier Stunden arbeiten und am Nachmittag freie Zeit haben oder von der indischen Organisation ein umfangreiche Bildungsangebot bekommen.
Die erste Woche verbringen wir damit Steine fürs Fundament schleppen. An den Nachmittagen lernen wir viel über das Leben in indischen Dörfern, schauen uns Tänze oder Theaterstücke an und zerreißen uns zwei Tage lang, was wir den Indern an deutscher Kultur vorstellen wollen. Welche Märchen spielen wir für die Kinder, was singen wir ? Doch wir schaffen es und am Ende hatten wir einen wunderbaren Abend mit den Dorfbewohnern. Auch wenn die meisten kein Englisch sprachen, verbinden die Märchen und die vielen einfachen Spiele, die jeder kennt, ungemein. Am Wochenende haben wir frei. Diese Zeit nutzen wir ausgiebig, um die Sehenswürdigkeiten der Umgebung zu erkunden. Viele Tempel und ein altes Fort von Gingee bieten einen weites Feld für eigene Erkundungen.
In der zweiten Woche fangen wir mit dem Bau des Fundaments an. Gemeinsam mit den Indern schaufeln wir einen breiten Graben aus und füllen diesen mit Beton. Na nun fehlen ja nur noch die Mauern. So schnell geht es, wenn viele Hände helfen. Auch ohne Technik. Besonders gut für uns war, dass neben den Studis und Abiturienten noch zwei Tischlerinnen und eine Krankenschwester in unserer Gruppe waren. Diese ermöglichten uns einen viel besseren Kontakt zu den Bauarbeitern. Die indischen Tischler haben sich ganz schön gewundert, dass Frauen in Deutschland tischlern.
Das zweite Wochenende verbrachten die meisten von uns in Pondycherri, einer Stadt am Indischen Ozean. Abends in der Kneipe gab's das Bier aus der Teekanne, da der Wirt keine Schanklizenz hatte. Und auf der Rückfahrt hatten wir das Glück, dass unser Busfahrer ein verhinderter Rennfahrer war. So kamen wir schnell und ohne unnötige Pausen zurück zum Camp. Endlich wieder arbeiten, denn bei dem guten Essen, welches unser Campkoch zubereitet, werde ich langsam fett. In den nächsten beiden Wochen wird kräftig gemauert. An den Nachmittagen besuchen wird die umliegenden Orte, hören mehr über Indien oder fahren mitten in der Nacht zu einem Tempelfest.
Wenn wir sonst noch freie Zeit haben, sind immer genügend Kinder um uns, mit denen wir gemeinsam Tamil lernen oder einfach nur Ulk machen. Sonst kann man sich ein Fahrrad für 20 Pfennige am Tag leihen und die Umgebung erkunden.
Am letzten Tag gibt es noch eine große Abschlussfeier mit dem deutschen Konsul. Die Schule ist jetzt fast fertig und das Dach haben die indischen Handwerker eine Woche nach unserer Abreise fertig gestellt. Als Erinnerung hat jeder Workcampteilnehmer noch einen Baum gepflanzt. Rings um das Schulgebäude wachsen nun so merkwürdige Gewächse wie Nina-tree und Clemens-tree, die später einmal Schatten spenden sollen und Kokosnüsse werfen werden. Nach dem Workcamp reisen die meisten von uns weiter durch Indien. Solche Erfahrungen, wie in den vier Wochen im Dorf macht keiner mehr. Auch als Rucksacktourist gibt es eine große Distanz zu den Leuten im Land. Es gibt viel zusehen und zu erleben, doch die Kontakte bleiben nur oberflächlich.
Aber jetzt ist noch nicht Schluss, denn ein IJGD Workcamp endet nicht mit einer Abschlussfeier am anderen Ende der Welt. Zurück im Studienalltag fühlte ich mich erst einmal elend. Alle Menschen hier in Deutschland machen so ein grimmiges Gesicht, das Obst schmeckt wässerig und unreif. Auf einem Nachbereitungstreffen kommen alle Workcampteilnehmer aus den Workcamps in Asien, Afrika und Lateinamerika zusammen, um gemeinsam zu diskutieren, was sie erlebt haben und was der IJGD im nächsten Jahr besser machen kann. Glücklich stellte ich fest, das ich in Indien ein perfektes Workcamp hatte. Aber auch die anderen hatten eine erlebnisreiche Zeit in den Camps. Keiner ist ernsthaft krankgewesen und fast jeder würde wieder in ein Workcamp fahren. Und es geht noch weiter. Denn die Teilnehmer des letzten Jahres können die Vorbereitungsseminare für ihre "Nachfolger" gestalten, so dass die neuen Teilnehmer immer frisch über Ihre Reisezeile informiert werden. Und noch weiter. Damit der Austausch nicht einseitig bleibt und die Workcamps in Afrika, Asien und Lateinamerika immer gut organisiert werden, lädt der IJGD jedes Jahr einige Mitglieder der Partnerorganisationen nach Deutschland ein, damit sie hier an Workcamps teilnehmen können. Hier bietet sich einmal im Jahr für eine begrenzte Zeit die Möglichkeit, etwas von der Gastfreundschaft zurück zugeben, die man als Ausländer im Ausland erfahren hat.
Nun war ich schon lange gespannt, was aus dem Gebäude geworden ist, was ich mal mitgebaut habe. Nach einer langen Wanderung durch den genialen, aber doch etwas staubigen, Ladakh kann ein wenig Südindien nicht schaden. Also von Delhi schnell nach Chennai geflogen, mit dem Taxi Busbahnhof. Man 1995 war der Busbahnhof irgendwo im Zentrum ein kleiner chaotischer Platz - heute ist das eine riesige moderne Anlage schon etwas außerhalb des Zentrums. Besser zurechtfinden kann man sich als Ausländer aber nicht, da fast alle Hinweisschilder nur in Tamil sind und Tamil wird leider nicht mit lateinischen Buchstaben geschrieben. Mit ein wenig Glück, den richtigen bus stand gefunden. Der nächste Bus geht schon in 10 Minuten. 3 Stunden später bin ich in Gingee. Wie auch vor 12 Jahren war der Bus total überfüllt. Man sich hat sich Gingee verändert. Aus der kleinen doch etwas verschlafenen Stadt ist eine wuselige Stadt geworden. Mit der Rikscha schnell ein Hotel gesucht und ein wenig ausgeruht.
Manche Sachen ändern sich nicht. So ist die Verhandlung mit den Rikscha-Fahrern ziemlich schwierig. Ob der halbe Tag 4 oder 5 Euro kostet interessiert mich wenig, aber das Fahrtziel muss schon stimmen. Wie auch vor zwölf Jahren stellen sich die Rikschafahrer total dämlich, wenn man nach Thangalkarei will. Nun diesmal muss ich auch wieder diskutieren, doch oh Wunder ein Fahrer fragt School? Klasse, mindestens ein Fahrer weiss sogar, das dort eine Schule ist. Also ab in die Rikscha und los. Heute ist Sonntag und ich erwarte nicht ernsthaft jemanden in der Schule zu treffen.
Das ganze Gelände hat sich komplett verändert. Wo früher eine Schule mitten in einem Feld war, ist heute ein eingezäuntes Schulgelände, mit vielen Bäumen und Sträuchern drum herum. Eine Gruppe von Kindern ist gerade beim Unkraut jäten. Sonst ist niemand da. Auch das Fotografieren ist wie immer. Sobald man eine Kamera zückt, ist das ganze Sichtfeld voll mit Kindern. Neben dem Gebäude was wir errichten haben (unten links) steht ein großes Schulgebäude. Der Wunsch von Vincent hier eine 10-Klassenschule zu errichten ist also tatsächlich in Erfüllung gegangen. Das Haus, das wir gebaut haben ist in tadellosen Zustand. Einzig von den Bäumen, die wir zum Abschied gepflanzt haben scheinen die wenigsten überlebt zu haben. Aber das ist ja nicht schlimm, denn es sind ja genügend neue Bäume gepflanzt.
Der kleine Ausflug in den Süden hat sich gelohnt. Es ist toll zu erfahren, dass eine Sache an der man vor zwölf Jahren mitgearbeitet hat, immer noch aktiv genutzt wird und den Leuten hier wirklich hilft. Ein Workcamp macht nicht nur Spaß sondern bringt auch wirklich langfristigen Nutzen. Unser Beitrag zur heutigen Schule ist zwar gering, hat aber sicherlich geholfen den Rest zu verwirklichen.
Oktober 1995 erstellt
April 2002 Bilder hinzugefügt
September 2007 Nachlese hinzugefügt
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